Auch die Hospizwelt steht derzeit Kopf. Vielleicht haben einige von Ihnen "hart, aber fair" angeschaut mit dem Beitrag zum Franziskus-Hospiz in Erkrath-Hochdahl. Dort wird eine restriktive
Besuchsregelung im statiponären Hospiz eingehalten, sprich: Der Kontakt zu den sterbenden Bewohnerinnen und Bewohnern ist den Angehörigen und Freunden untersagt.
Andere Hospize treffen andere Entscheidungen, beispielsweise das RICAM-Hospiz, Berlin. Wer das nachlesen mag, kann das tun unter :
https://www.ricam-hospiz.de/…/besuchsregelung-angesichts-…/… .
Ida Lamp, leitende Koordinatorin des Hospiz- und Palliativberatungsdienstes ZAPUH Grenzland, war mehrere Jahre Seelsorgerin im Franziskus-Hospiz und im Leitungsteam der Einrichtung. Sie sagt: "Mein Herz blutet, wenn ich von solchen Entscheidungen lese." Dabei betont sie, dass die verschiedenen Entscheidungen zu respektieren seien. Sie fragt aber auch, woran es wohl liegt, dass Entscheidungen so unterschiedlich getroffen werden - und vermutet, dass das auch etwas damit zu tun hat, dass Hospize Teil des Establishment, Teil des Gesundheitswesens, geworden sind und angepasst an wirtschaftliche Gegebenheiten. Sie sind den Berufsgruppen und deren Anforderungen und Vorgaben verpflichtet, sie tragen Mitarbeiterverantwortung (und sind nicht mehr die Gemeinschaftsprojekte der Anfänge, wo alle alles gemeinsam getragen haben), sie richten sich nach Standards... Vor Corona hat man "Patient und Zugehöriger" gesagt und sie als ein System gesehen, das von Krankheit und Sterben betroffen ist. Jetzt ist es das System Hospiz, das aufrecht erhalten werden muss. So argumentiert die Einrichtungsleitung des Franzikus-Hospiz Hochdahl, Silke Kirchmann, dass sie für den langen Atem der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hospizes sorge.
"Überall werden jetzt die Ehrenamtlichen rausgenommen. In den Anfängen der Hospizarbeit waren sie ganz klar Mitarbeitende der Teams, kamen teils selbst aus pflegerischen und medizinischen Berufen, aber auch aus allen anderen Bevölkerungsgruppen. Sie wollten die Situation von Sterbenden in unserer Gesellschaft verändern. Sie haben die Hospize aufgebaut! - Jetzt sind sie plötzlich nicht mehr Teil der Teams, keine systemrelevanten Gruppen..." erläutert Lamp.
"Wir im ambulanten Hospizdienst ZAPUH diskutieren gerade heftig, was wir tun können, was wir unterlassen müssen, wo wir noch helfen können." meint Bettina Leweke, ebenfalls Koordinatorin von
ZAPUH.
"Manche Begleitung kann man telefonisch oder per EMail fortsetzen oder auch neu angehen. Für viele, gerade hochbetagte, an Demenz erkrankte oder akut sterbende Menschen ist das keine
Alternative. Sollen wir sie aus Angst vor dem Corona-Virus allein lassen?"
Einkaufsdienste, Apothekengänge, Gassi-Runden mit dem Hund - das bleibt ja alles möglich. Auch alternative Beiträge wie das Nähen von Behelfs-Nasen-Mund-Schutz beispielsweise und das Verteilen derselben sind möglich.
Aber was machen wir mit den Sterbenden?
Bei den Altenheimen und den Einrichtungen der Eingliederungshilfe richtet sich der Hospizdienst selbstverständlich nach den Vorgaben der jeweiligen Einrichtungen, die sich natürlich auch
situativ verändern können. Der Gesetzgeber hat es grundsätzlich ermöglicht, dass Sterbende - unter Einhaltung der Regeln des RKI - weiter besucht werden können.
"Warum sollten wir anders behandelt werden als beispielsweise die Betreuungskräfte?" fragen Hospizbegleiter, die in ihrem Berufsleben auch Betreuungskräfte sind.
Andere Hospizbegleiter haben Sorge, das Corona-Virus in die Einrichtungen einschleppen zu können und setzen ihre Begleitungen aus. "Der Mundschutz, die Schutzkleidung, Desinfektionsmittel
fehlen ja so schon. Ich möchte diese Ressourcen nicht verschwenden."
Im Chat der Hospizbegleiterinnen und -begleiter schreibt Bettina Leweke zu dieser Diskussion, was wir tun können:
"Ich denke, dass es an dieser Stelle nicht um richtig oder falsch ... um verantwortungsbewußt oder unverantwortlich geht ... Durch die derzeitige Situation sind wir mit ethischen Fragen
konfrontiert, die nicht mal eben in die eine oder andere Richtung beantwortet werden können ... Meine Haltung kann morgen überlegt schon anders sein als heute: Wir sind gefordert, täglich neu
zu überlegen, unseren Standpunkt zu überprüfen, in der Auseinandersetzung mit anders Denkenden respektvoll miteinander umzugehen. Die Sichtweise des anderen (wenn möglich zu verstehen/zu
hinterfragen), den anderen wertzuschätzen (auch wenn er nach langen Überlegungen zu einem anderen Ergebnis kommt als ich ... was mir schwer im Magen liegen mag, aber was vom anderen auch hart
errungen ist...).
Ich schätze unsere Vielfalt!!!"
Als ambulanter Hospizdienst wagen wir den Spagat. Wir lassen uns nach wie vor von Hausärzten und Angehörigen und Betroffenen ansprechen. Unsere Türen sind vormittags offen. Wir sind
telefonisch erreichbar.
Wir machen nach Güteabwägung Hausbesuche und auch Sterbebegleitungen. Dabei weisen wir selbstverständlich und ausdrücklich auf die Risiken hin - und halten alle uns möglichen Schutzmaßnahmen
ein.
Der Christopherus-Hospizdienst schreibt in einem Zwischenruf zur Corona-Krise am 30.03.2020: "Die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere der Risikogruppen, hat selbstverständlich immer
oberste Priorität.
Wir sehen die Aufgabe der Hospiz- und Palliativdienste zum einen darin, daran mitzuwirken, dass Kliniken und Krankenhäuser von der Versorgung Schwerstkranker entlastet werden und so in den
nächsten Wochen und Monaten Ressourcen für die Bewältigung der Krise entstehen.
Gleichzeitig werden durch die Corona-Epidemie viel mehr Menschen mit Sterben und Tod konfrontiert werden. Es gilt deshalb, zum anderen die Aufrechterhaltung der Qualität in der Begleitung
Schwerstkranker und Sterbender nicht aus den Augen zu verlieren."